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Der CMV-Virus
Bedrohung für geschwächte Immunsystem Hat es Gelegenheit dazu, verursacht das Cytomegalievirus (CMV) unterschiedlichste, mitunter gefährliche Krankheitsverläufe. CMV zählt zu den Herpesviren, fast jeder zweite Mensch ist damit infiziert. Einem intakten Immunsystem vermag das kleine DNS-Geschöpf kaum etwas anzuhaben. Immunsupprimierten kann es manchmal ziemliche Probleme bereiten. Ein leichtes Grippegefühl kommt auf, wenn Cytomegalieviren vom intakten Immunsystem eines Menschen bekämpft werden. Arg dezimiert müssen sich die Angreifer meist nach wenigen Tagen in sichere, für das Abwehrsystem unerreichbare Gefilde im Körper zurückziehen. Durchschnittlich 40% aller Menschen hatten schon mindestens einmal Kontakt mit dem zur Gruppe der Herpesviren zählenden Virus. Die meisten wahrscheinlich schon viel öfter. Mit dem Alter steigt dieser Prozentsatz der Verbreitung beständig an. 60jährige sind schon zu 80% mit dem Virus infiziert. Da CMV auch durch Tröpfcheninfektion übertragbar ist, lauert der Erreger überall im Alltag. Nur wer gerne in utopischen Quarantänestationen mit Panzertüren und Luftschleusen lebt, könnte sich vor einer Infektion schützen. Bei Schwächezuständen, bedingt etwa durch Fieber, Streß oder Hormonschwankungen, formiert sich die zurückgezogene CMV-Truppe aufs neue, das Kräftespiel wiederholt sich. Manchmal alles andere als harmlos Einen weniger banalen Verlauf kann dieser alltägliche Krieg in unserem Körper nehmen, wenn das Immunsystem stark geschwächt ist, oder – wie bei Transplantierten – per Immunsuppressiva gezielt in seiner Schlagkraft eingeschränkt. Vor allem dann, wenn zusätzliche Therapien gegen eine akute Abstoßung eingesetzt werden, hat CMV besondere Chancen, seine verhängnisvolle Wirkung zu entfalten und mitunter sehr bedrohliche Krankheitsverläufe auszulösen. Welche Organe dabei betroffen werden, ist nicht vorhersehbar. So kann es zu einer Lungenentzündung oder einer Hepatitis kommen, Augen oder Zentralnervensystem können in Mitleidenschaft gezogen werden. Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung sind ebenso mögliche Folgen einer CMV-Erkrankung wie bakterielle oder Pilzinfektionen, die sich nach einer CMV-bewirkten Absenkung der weißen Blutkörperchen einstellen können. Sogar eine Transplantatabstoßung kann dieses Virus auslösen. Gründe genug für die Medizin, diesen Gegner sehr ernst zu nehmen und eine Erkrankung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln. Serokonstellation: Ein Risiko haben alle Die Wahrscheinlichkeit, von einer CMV-Erkrankung unmittelbar durch die Transplantation betroffen zu werden, ist für Organempfänger (E) unterschiedlich groß. War der Spender (S) bereits mit CMV in Kontakt, der Empfänger hingegen noch nie, tritt am leichtesten eine Erkrankung auf. Bei dieser Primärinfektion (E- S+) ist auch der Verlauf oft schwerwiegender als bei der sogenannten Sekundärinfektion (E+ S+), bei der das Immunsystem des Empfängers, das bereits erfolgreich gegen das Virus in Aktion getreten ist, lediglich mit einem neuen Virenstamm Bekanntschaft macht, dies allerdings zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Noch geringer ist das Risiko, wenn nur der Organempfänger das Virus in sich trägt (E+ S-). In diesem Fall kann es zu einer CMV-Reaktivierung kommen, dem Wiederaufflammen der Virusaktivität. Die günstigste Serokonstellation ist logischerweise gegeben, wenn weder Empfänger noch Spenderorgan bislang mit CMV in Kontakt gekommen sind (E- S-). Ganz ausschließen kann man eine Attacke des überall präsenten Cytomegalievirus allerdings nie. Teufelskreis: CMV fördert die Abstoßung, Die ersten Anzeichen einer CMV-Erkrankung sind sehr unspezifisch. Man tippt auf Grippe, wenn sich leichte Gliederschmerzen, ein wenig erhöhte Temperatur oder Nachtschweiß bemerkbar machen. Für Ärzte stellt sich vor allem das Problem, eine CMV-Infektion von einer Abstoßungsreaktion zu unterscheiden. Da konventionelle serologische Verfahren, wie z.B. der Nachweis von Antikörpern, nur bei intaktem Immunsystem funktionieren und die natürliche Entwicklung von Antikörpern eine gewisse Zeit braucht (ca. 10 bis 14 Tage), sind einigen verbreiteten Diagnosemethoden in der Transplantmedizin enge Grenzen gesetzt. Erst aufwendigere Systeme zum direkten Virusnachweis beantworten rasch und präzise genug die Fragestellungen der behandelnden Ärzte. Die Antwort kann immerhin sehr gegensätzliche Maßnahmen zur Folge haben: während im Fall einer Abstoßungstherapie mehr (virusfördernde) Immunsuppression benötigt wird, gilt es im anderen Fall, das Virus zu bekämpfen und dazu eventuell die Immunsuppression zu vermindern, um den Abwehrkampf erfolgreicher zu gestalten. Da CMV seinerseits eine Abstoßungsreaktion bewirken kann, entsteht leicht ein Teufelskreis: CMV fördert die Abstoßung, die Antiabstoßungstherapie fördert CMV. Zu den verwirrenden Eigenheiten des Cytomegalievirus zählt obendrein eine immunsuppressive Wirkung, was die Diagnose nicht eben erleichtert. Bei Früherkennung ist CMV gut behandelbar In Transplantzentren ist man aus all diesen Gründen auf CMV gut vorbereitet. So wird am AKH Wien in der Frühphase nach Transplantationen und bei klinischem Verdacht 2x wöchentlich routinemäßig eine PP65-Diagnostik durchgeführt. Mit diesem hochwertigen Verfahren können Virusteile an weißen Blutkörperchen direkt erkannt werden. Auch mit dem PCR-Test, wie er bei Hepatitis C verwendet wird, ist ein unmittelbarer Virusnachweis möglich. Durch die regelmäßigen Untersuchungen kann man das Virus meist schon Tage zuvor bekämpfen, ehe erste Symptome auftreten. Gerade in den ersten Wochen nach einer Transplantation, der Phase mit hoher Immunsuppression, treten die meisten CMV-Erkrankungen in Erscheinung vorzugsweise ab der dritten Woche. Optimale Prophylaxe noch nicht gefunden Zahlreiche Forschungsgruppen in aller Welt beschäftigen sich mit der Entwicklung von prophylaktischen Medikamenten und Maßnahmen, die dem Virus schon im Vorfeld den Spaß verderben sollen. Der Goldstandard", so Frau Doz. Klauser, die selbst einem solchen Team angehört, ist leider bislang noch nicht gefunden. Mit der Verabreichung von Gancyclovir (Handelsname Cymevene) über die ersten 90 Tage gelingt es im Wiener AKH bei Hochrisikopatienten (E-, S+) bereits häufig, den Zeitpunkt einer Erkrankung um bis zu 5 oder 6 Monate hinauszuzögern oder den Krankheitsausbruch sogar ganz zu verhindern. Damit wird das Problem in manchen Fällen zwar prinzipiell nur verlagert, allerdings in einen für die Patienten ungleich günstigeren Zeitraum. Ein halbes Jahr nach Transplantation ist die Immunsuppression bereits stark verringert und die Ausgangslage zur Bewältigung einer auftretenden Virusattacke in jeder Weise verbessert. Cymevene ist eine gegen sämtliche Herpesviren wirksame Substanz, sie greift direkt in die Zellvermehrung ein. Mit Prophylaxe begegnet man auch besonderen Gefährdungsphasen zu späteren Zeitpunkten. Diese sind zum Beispiel dann gegeben, wenn eine Abstoßungsreaktion mit einer hochdosierten Cortisongabe allein nicht beherrscht werden kann und in der Folge Antiabstoßungstherapie in Form von ATG oder OKT3 eingesetzt wird. Diese massivsten immunsuppressiven Mittel öffnen dem Cytomegalievirus in ganz besonderem Maße Tür und Tor, wie Untersuchungen gezeigt haben. Auch in diesem Fall wird mit Cymevene versucht, die Vermehrung oder Reaktivierung des Virus in Grenzen zu halten und den Ausbruch einer Erkrankung zu verhindern. Wie sollen sich immunsupprimierte Patienten nun verhalten? Schutz vor einer CMV-Infektion gibt es leider noch nicht. Es ist auch nicht möglich, eine CMV-Erkrankung im Frühstadium selbst zu erkennen. Die meisten Erkrankungen treten in den ersten Wochen nach einer Transplantation auf und damit während engmaschiger Kontrollen durch die Klinik. Später ist natürlich wichtig, die von der Klinik (für die jeweilige Transplantationsart) mitgegebenen Verhaltensregeln genau zu beachten und alle vorgesehenen Kontrolluntersuchungen einzuhalten. © tpi transplant information 97/2, Sept. 1997 |